Noch immer Tabuthema

Ist meine Mutter dement? Angehörige erhalten mit Online-Fragebogen erste Hinweise

Sharon Chaffin

Redakteurin Erlanger Nachrichten

E-Mail zur Autorenseite

31.3.2022, 14:30 Uhr
Gedächtnisspiele wie "Memory" spielen bei der Therapie von Demenzkranken eine wichtige Rolle. 

© Sven Hoppe/picture alliance/dpa, NN Gedächtnisspiele wie "Memory" spielen bei der Therapie von Demenzkranken eine wichtige Rolle. 

In einer alternden Gesellschaft gibt es, zwangsläufig, stetig mehr Demente. Trotzdem ist die Erkrankung noch immer ein Tabuthema, sagt der Neurologe Prof. Peter Kolominsky-Rabas. Der Leiter des Interdisziplinären Zentrums für Health Technology Assessment (HTA) und Public Health der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) möchte das ändern - und zwar vor allem mit Hilfe des Digitalen Demenzregisters (digidem) Bayern, das mit Mitteln des Gesundheitsministeriums in München gefördert wird.

Digidem Bayern bietet auf seiner Homepage (https://digidem-bayern.de) bereits jetzt viele Hilfs-, Beratungs- und Forschungsprogramme an. Nun kommt dort ein neues Tool zur Beurteilung der Gedächtnisleistung von nahen Angehörigen oder Ehepartnern dazu. Mit einem wissenschaftlich abgesicherten Online-Fragebogen sollen Personen einen möglichen Abbau der kognitiven Fähigkeiten von nahestehenden Menschen beurteilen und bewerten, erläuterte Kolominsky-Rabas, der die Plattform bei einem virtuellen Pressegespräch vorstellte.

Geistige Veränderungen werden erfasst

So werden also mit dem Online-Fragebogen geistige Veränderungen innerhalb der vergangenen beiden Jahre erfasst. Die Antworten geben Menschen, die in engem Kontakt mit dem/r Hochbetagten stehen, also Kinder, Enkelkinder, aber auch ehrenamtliche Helfer.

Durch Fragen wie: Erinnert sich der Senior besser oder weniger gut als vor zwei Jahren zum Beispiel an den Geburtstag eines Verwandten? Wie ist es um das Wissen von Tag und Monat bestellt und wie sieht es mit dem Erlernen und Verstehen von Neuem aus? Der Fragebogen umfasst insgesamt sieben Fragen mit jeweils fünf Antwortmöglichkeiten.

Sind die Antworten angekreuzt, erhält jeder, der den Fragebogen nutzt, sofort eine Gesamtbeurteilung. Ist ein bestimmter Punktwert erreicht, wird eine differenzierte und umfassende Abklärung in einer spezialisierten diagnostischen Einrichtung, zum Beispiel in einer Gedächtnisambulanz, empfohlen. Mit dabei ist auch eine Übersichtskarte über die Standorte bayerischer Gedächtnisambulanzen. Die Erhebung ist anonym, die Daten werden zur wissenschaftlichen Evaluierung zwar genutzt, aber danach sofort wieder gelöscht.

"Der Fragebogen bietet einen sehr guten Einstieg hin zu einer weiterführenden Diagnostik", erläutert Kolominsky-Rabas weiter. "Die Beurteilung der Gedächtnisleistung ist ein großer Schritt, um eine Demenzerkrankung schneller abklären zu lassen. Aus wissenschaftlich erhobenen bayerischen Daten wissen wir, dass bis zur Diagnosestellung eineinhalb bis zwei Jahre vergehen können." Die spezielle ärztliche Diagnosestellung ersetze der Online-Fragebogen aber nicht, betonte der Facharzt mehrmals.

Der Fragebogen ist kostenfrei und in mehreren Sprachen verfasst. Auch das ist Kolominsky-Rabas wichtig. Denn das Angebot soll so niedrigschwellig wie möglich sein und wirklich jede und jeden erreichen. "Man kann Demenz nicht heilen", sagt der Experte, "aber behandeln, und je früher das beginnt, desto besser."

0 Kommentare