Hereditäre Spastische Spinalparalyse
Am Uni-Klinikum in Erlangen wird seit 130 Jahre eine seltene Krankheit erforscht und behandelt
8.3.2024, 16:30 UhrSchätzungsweise nur 4.000 Menschen in ganz Deutschland haben sie: die Hereditäre Spastische Spinalparalyse (HSP), eine seltene Form der erblichen Querschnittslähmung. In Erlangen wird die neurodegenerative Erkrankung, die mehr als 70 Unterformen hat, seit über 130 Jahren erforscht und behandelt. Dies berichtet das Uni-Klinikum in einer Pressemittelung.
Heute finden laut Uni-Klinikum Patientinnen und Patienten in der Molekular-Neurologischen Abteilung (Leiter: Prof. Dr. Jürgen Winkler), in der Stammzellbiologischen Abteilung (Leiterin: Prof. Dr. Beate Winner) sowie am Zentrum für Seltene Erkrankungen Erlangen bzw. am Zentrum für Seltene Bewegungserkrankungen des Uniklinikums Erlangen Anlaufstellen mit viel Erfahrung.
Im Rahmen eines internationalen wissenschaftlichen Symposiums vom 6. bis 8. März 2024 brachten sich nun verschiedene Expertinnen und Experten am Uniklinikum Erlangen auf den neuesten Stand zu Diagnostik und Therapie der seltenen Erkrankung.
Häufig sind mehrere Familienmitglieder betroffen
Die Hereditäre Spastische Spinalparalyse wird vererbt, sodass häufig mehrere Familienmitglieder betroffen sind. Meist beginnt die Erkrankung schon während der Schulzeit, wird aber oft jahrelang nicht erkannt. Die Beinmuskeln der Betroffenen werden zusehends steif und die Beine verlieren aufgrund einer spastischen Lähmung an Kraft. Grund dafür ist der Niedergang bestimmter Nervenzellen im Zentralen Nervensystem, die eine wichtige Rolle bei der Steuerung willkürlicher Bewegungen spielen. Auch Blasenstörungen, Krampfanfälle, Taubheitsgefühle, kognitive Einschränkungen, Gleichgewichts-, Seh- und Sensibilitätsstörungen sind bei der HSP möglich. Der Gang wird unsicher und „gestelzt“. „Letztlich verlieren die Patientinnen und Patienten ihre Gehfähigkeit und sind im weiteren Verlauf auf Gehhilfen oder einen Rollstuhl angewiesen“, erklärt Prof. Dr. Jürgen Winkler, Sprecher des Zentrums für Seltene Bewegungserkrankungen des Uniklinikums Erlangen.
Blicken wir zurück in die Geschichte: Im Jahr 1886 erhielt der Arzt Adolf von Strümpell den Ruf auf den Lehrstuhl für Innere Medizin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen und wurde Direktor der hiesigen Medizinischen Klinik. Obwohl Adolf von Strümpell Internist war, beschäftigte er sich auch mit zahlreichen neurologischen Erkrankungen. So war er es, der die Erkrankung HSP, ihre klinischen Merkmale, ihr Fortschreiten und ihre möglichen genetischen Ursachen als einer der Ersten weltweit beschrieb.
Aus diesem Grund wird die HSP auch „Strümpell-Lorrain’sche Erkrankung“ genannt – nach dem deutschen Arzt und dem französischen Neurologen Lorrain. Im Jahr 1893 veröffentlichte Adolf von Strümpell den Fall des ersten von ihm charakterisierten HSP-Patienten in der „Deutschen Zeitschrift für Nervenheilkunde“, die er zuvor mit drei Kollegen der Inneren Medizin gegründet hatte. „Die damaligen Arbeiten stellen mit bemerkenswert exakten klinischen Beschreibungen den Krankheitsverlauf der Betroffenen über mehrere Jahrzehnte dar, beginnend von der ersten Gangunsicherheit bis hin zum Endstadium“, berichtet PD Dr. Martin Regensburger, Leiter der Bewegungsambulanz des Uniklinikums Erlangen.
Prägend für die deutsche Neurologie
Nach anfänglicher Skepsis soll Adolf von Strümpell seine Jahre in Erlangen als die glücklichsten seines Lebens bezeichnet haben. In jedem Fall waren es seine einflussreichsten und die, die die deutsche Neurologie am meisten prägten. Bis heute erinnert die Strümpellstraße in Erlangen an die Verdienste des Mediziners. Im selben Hörsaal, in dem der HSP-Pionier vor über 130 Jahren in Erlangen lehrte, trafen sich nun mehr als 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt, um sich über die neuesten Erkenntnisse zum Krankheitsbild auszutauschen und die Ursprünge der HSP-Forschung und -Therapie in der Hugenottenstadt zu würdigen.
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