250 Kinder kommen durchschnittlich jedes Jahr im Geburtshaus Erlangen auf die Welt.
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250 Kinder kommen durchschnittlich jedes Jahr im Geburtshaus Erlangen auf die Welt.

Zweites in Bayern

Alternative zur Klinik: Geburtshaus Erlangen auf Erfolgskurs

Eigentlich müsste sie müde aussehen. Seit drei Uhr morgens ist Jessica Boadi auf den Beinen. Sie hat in den frühen Morgenstunden eine Geburt begleitet. Mehr als zwölf Stunden später ist sie immer noch an ihrem Arbeitsplatz, dem Geburtshaus Erlangen, sieht putzmunter aus und hat gerade eine Schwangere und deren Mann beraten. Der Beruf fordert viel. Jessica Boadi würde sagen: Er gibt viel.

Diese Einstellung teilt sie mit ihren Kolleginnen. Zu neunt sind sie, und vor wenigen Wochen haben sie den dritten Geburtstag ihres Geburtshauses gefeiert. Anlass zur Freude, um so mehr, da es ein wohlgeratenes "Kind" ist. Eine echte Erfolgsgeschichte, um genau zu sein – und das nach einer, um im Bild zu bleiben, schweren Geburt. Denn fast zwei Jahre lang haben sie sich dafür engagiert, bis sie im Erlanger Stadtteil Bruck geeignete Räumlichkeiten fanden und ihren Traum verwirklichen konnten.

Die damals noch acht Hebammen, die in Erlangen, aber auch im weiteren Umkreis zuhause sind, wollten eine Alternative zur Geburt in der Klinik anbieten.

Heute sind sie selbst ganz überwältigt davon, wie gut das ankam. 681 Geburten haben sie in den letzten drei Jahren begleitet, die Stadt Erlangen hat somit – nach München – das zweitgrößte Geburtshaus in Bayern. 250 Geburten pro Jahr sind es mittlerweile, im Geburtshaus in München sind es um die 330. Viele Frauen haben schon zum zweiten Mal bei ihnen entbunden, im August kommt eine Frau sogar schon zu ihrer dritten Geburt.

Anfragen gibt es aber von noch mehr Frauen. Sie kommen aus Erlangen, aus der näheren Umgebung, aber auch von weiter weg, bis nach Kulmbach, Coburg, Bayreuth reicht der Einzugsbereich. "Wir können den Bedarf nicht decken", sagt Jessica Boadi. "Im Schnitt schicken wir fünf Frauen pro Monat weg."

Auf jeden Fall empfinden die Hebammen im Geburtshaus Erlangen es als Erleichterung, dass sie sich zusammengetan haben. "Wir haben uns gut organisiert", sagen sie. Es gebe regelmäßige Supervisionen und Teamtage, an denen sie sich austauschen. Jede Schwangere, jede Neuvorstellung, jede Frau, "die in die Geburtsrufbereitschaft geht", jede Geburt, jede Besonderheit komme dabei zur Sprache, erklärt Jessica Boadi. "Es ist ein großes Qualitätsmerkmal, dass wir uns die Zeit nehmen, all dies im Team zu besprechen." 16 Prozent der im Geburtshaus begonnenen Geburten werde in der drei Kilometer entfernte Uniklinik beendet, man arbeite gut zusammen, heißt es bei den Hebammen.

Wichtig ist den Hebammen zu betonen, dass bei ihnen alle Frauen willkommen sind. Jede Kultur, jede Religion, Alleinerziehende, gemischt geschlechtliche, aber auch Frauen-Paare, "wir sind Hebammen für Vielfalt", sagen sie.

"Ich habe hier die schönste Zeit meines Lebens erlebt", sagte kürzlich ein Vater, dessen zwei Kinder im Geburtshaus Erlangen das Licht der Welt erblickt haben. Eine Äußerung, die zum Abschluss des dritten Jahres einfach das beste Geburtstagsgeschenk ist, finden die Hebammen.

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