Deep Talk Dienstag: Alleine (ver)reisen
30.8.2021, 17:39 UhrOh, ja!
Ich bin immer gern in Gesellschaft weggefahren, mit besten Freundin, meinem Freund, meiner Familie, doch ungern alleine - ich freute mich über jemanden, mit dem ich zum Beispiel teilen konnte, wie cool bioluminiszierendes Phytoplantkon leuchtet. Das bedeutet aber auch immer, Rücksicht nehmen zu müssen auf fremde Wünsche und Befindlichkeiten. Damit bin ich fein, prinzipiell. Doch - irgendwann, zwischen nicht kombinierbaren Urlaubsplänen oder auseinanderdriftenden Vorstellungen von Abenteuer und Erlebnissen - hab ich meine Sachen gepackt und bin einfach alleine davon gefahren. Beängstigend, ja. Und aufregend. Denn tatsächlich brauche ich nicht unbedingt jemanden, um die Schönheiten des Lebens oder die wunderbaren Eindrücke zu teilen. Manches ist einfach nur für mich. Es bereichert mich - und eben nur mich. Das hat mir Frieden und ein fettes Gefühl von Freiheit gegeben. Es war eine Bereicherung, die nur mir gehört. Das Gefühl, einfach nur etwas für mich zu machen und: auf den Rest der Welt zu pfeifen. Unabhängig zu sein, losgelöst.
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Doch: Auf einer Reise bist Du letztlich auch nie wirklich alleine. In Hostels, Hotels, Campingplätzen trifft man immer auf Gleichgesinnte, andere Alleinreisende oder auch Gruppen, die Dir sofort ungefragt einen Platz in ihrer Mitte einräumen. Leute, die mit Dir durch die Bars ziehen, die Nacht zum Tag machen. Eine Bruder- oder Schwesternschaft auf Zeit, die sich anfühlt, als würdet Ihr Euch schon ewig und gleichermaßen so überhaupt nicht kennen. Verbunden durch den Moment, das Gefühl in dieser einen Sekunde, das herzliche Lächeln beim Frühstück und natürlich: Die Erfahrungen und Emotionen. Namen gehen im Rausch gemeinsamer Erlebnisse unter. Menschen, die Du vielleicht mit Reisebegleitung nie kennengelernt hättest. Samt Instagram-Freundschaften in alle Welt, die bleiben.
Angst, alleine zu sein oder, dass mir etwas passieren könnte, hatte ich nie. Vermutlich liegt das daran, dass immer genügend warme Lächeln um mich herum waren, viele offene, positive Menschen.
Never ever!
Im Mai diesen Jahres hat es mir gereicht. Ich wollte weg von ellenlangen Telefonkonferenzen und den nervigen schwarzen Zoom-Kacheln auf meinem Bildschirm. So packte ich meine Sachen für ein Wochenende auf dem Jakobsweg. Mehr Zeit hatte ich nicht, also: Carpe diem. Eine Kommilitonin wollte das Projekt fotografisch begleiten und deshalb am zweiten Tag dazustoßen. Anfangs war ich nicht zufrieden mit dieser Lösung. Ich wollte mich doch selbst finden und nach Erleuchtung suchen. Oder zumindest etwas ähnliches. Allein. So machte ich mich auf den Weg. Als ich gerade die Stadt verlassen und keine Menschenseele mehr zu sehen war, beschlichen mich die ersten Zweifel.
Zehn, 20, 30 Minuten nur der Wald und ich. Ein Radfahrer, dann wieder Stille. Ein Gedanke nistet sich in meinem Kopf ein: Wenn mich jetzt jemand überfiele, es würde keiner mitbekommen. Niemand würde mir zur Hilfe eilen können. Es könnte nicht nur ein Überfall sein. Was, wenn mir jemand nachliefe und aufdringlich werden würde? Das Handy zeigt zeitweise keinen Balken an. Zwischen den Bäumen taucht ein Schild auf, das vor Wildschweinen warnt. Ich suche bereits die Äste nach Klettermöglichkeiten ab, als ich endlich den Wald verlasse. Ja, das mögen nur irrationale Hirngespinste und Ängste sein. Das muss nicht jedem so gehen. Aber wer allein reist, besonders als Frau, ist auch Gefahren ausgesetzt, die in der anfänglichen Euphorie gerne verdrängt werden. Ich war froh am nächsten Tag eine Begleitung zu haben und hatte mehr von meiner Reise, als ich nicht ständig mit der Umgebung beschäftigt war.
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