Die Reichen werden reicher

Vermögensverteilung: Rezepte gegen die Ungerechtigkeit in Deutschland

Michael Husarek

Chefredakteur Nürnberger Nachrichten

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19.4.2024, 11:00 Uhr
Die Reichen werden reichen - das ist gerade in Deutschland zu beobachten.

© Bernd Wüstneck/dpa Die Reichen werden reichen - das ist gerade in Deutschland zu beobachten.

Ist das gerecht? Fünf Prozent der Menschen in der Bundesrepublik verfügen über die Hälfte des Vermögens. Die Frage nach der Gerechtigkeit wird entlang des politischen Koordinatensystems höchst unterschiedlich beantwortet. Da gibt es die Parteien, die gebetsmühlenartig betonen, dass Leistung belohnt werden muss, während andere die Sozialsysteme als Schutzschirm für Arme weiter ausbreiten wollen.

Der Blick auf die Wahlergebnisse verrät: Höchste Priorität genießt die Einkommensverteilung ganz offensichtlich nicht. Und doch bleibt ein fader Beigeschmack. Denn Deutschland ist eines der ungleichsten Länder in Europa. Nur in Lettland, Litauen und Österreich ist die Verteilung nach Angaben der Europäischen Zentralbank noch einseitiger.

Am einfachsten wäre eine Reform des Steuersystems

Da Ungleichheit für eine Gesellschaft auf Dauer ein Spaltpilz sein kann, lohnt es darüber nachzudenken, wie sich mehr Vermögensgerechtigkeit herstellen ließe.

An Rezepten zur Bekämpfung mangelt es nicht: Es müsste nicht gleich die ideologisch wohl am heftigsten umstrittene Keule einer Vermögenssteuer ausgepackt werden - am einfachsten wäre mit einer Reform des Steuersystems gegenzusteuern.

Denn davon würde die Mittelschicht unmittelbar profitieren. Am Monatsende wäre schlicht mehr Geld am Konto. Realistisch ist ein solches Szenario nicht. Denn Unions- oder SPD-geführte Bundesregierungen hätten zig Gelegenheiten gehabt, die Einkommensteuer zu senken.

Nun, in Zeiten einer äußerst angespannten Haushaltslage, ist damit gewiss nicht zu rechnen. Klafft die Schere zwischen Arm und Reich also immer weiter auf?

Sehr wahrscheinlich. Denn ein weiterer Korrektureffekt greift seit einiger Zeit nicht mehr. Je mehr Menschen ein Eigenheim besitzen, desto weniger wahrscheinlich ist ein Abdriften unter die Armutsgrenze.

Der Traum von der eigenen Immobilie ist kaum noch erfüllbar

Wer eine Immobilie in Deutschland besitzt - das trifft auf knapp die Hälfte der Haushalte zu -, hat im Durschnitt zehnmal so viel Geld zur Verfügung wie ein Haushalt ohne Eigenheim.

Die Preissteigerungen auf dem Immobilienmarkt haben dieses Korrektiv beinahe außer Kraft gesetzt. Normalverdienende konnten sich in den vergangenen Jahren kaum ein Haus oder eine Wohnung kaufen.

Gerechtigkeit könnte, so Experten, nur durch ein ganzes Bündel an Maßnahmen entstehen: ein weiterhin steigender Mindestlohn, hohe Tarifabschlüsse, Erbschaftssteuer für Unternehmer und vielleicht sogar ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Nur: Realistisch ist all dies nicht. Deutschland wird sich also zunehmend mit Kollateraleffekten der Vermögensverteilung befassen müssen: Altersarmut wird weiter steigen, damit die Unzufriedenheit eines Teils der Bevölkerung und somit die Bereitschaft, populistische Kräfte zu stärken. Ein wenig mehr an Umverteilung wäre da durchaus ratsam. Denn am Ende geht es um mehr als Gerechtigkeit, der gesellschaftliche Frieden steht auf dem Spiel.

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