Gesellschaftsbild in Bayern bewahren

Gendern und Kiffen: Warum die CSU sich mit Veränderung so schwer tut

Michael Husarek

Chefredakteur Nürnberger Nachrichten

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20.3.2024, 14:00 Uhr
Eine Person raucht einen Joint. In Bayern ist dies eher unerwünscht - trotz der geplanten Legalisierung.

© Fabian Sommer, dpa Eine Person raucht einen Joint. In Bayern ist dies eher unerwünscht - trotz der geplanten Legalisierung.

Mit dem gesellschaftlichen Fortschritt ist das so eine Sache: Nicht jedem Traditionalisten gefällt, was da Neues kommt. Wenn es eine Lehre aus der Geschichte gibt, dann diese: Der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten , allenfalls verschieben ist möglich. Letzteres ist offenbar die Taktik der bayerischen Staatsregierung. Nachdem erst kürzlich eine durchaus restriktive Überwachung des Cannabis-Konsums angekündigt worden war, folgte nun mit dem Genderverbot der nächste Schritt.

Gendern mit Gendersternchen: Vielerorts üblich, Im Freistaat Bayern verboten.

Gendern mit Gendersternchen: Vielerorts üblich, Im Freistaat Bayern verboten. © IMAGO/Markus Mainka

Vor allem die CSU-Führung handelt nach dem Motto: Was nicht unserem Weltbild entspricht, wollen wir nicht nach Bayern lassen. Sonderlich logisch ist dies nicht: Während sich die Menschen in Franken, Schwaben und Altbayern hemmungslos betrinken dürfen, samt inkludierter Folgeschäden für das Gehirn, wird der Cannabis-Konsum just mit dem Verweis auf mögliche Hirnschäden heftig bekämpft. Konsequent wäre allenfalls die Forderung nach einem Alkoholverbot - doch Halt: Bier, gerne auch in Maßen getrunken, gilt als folkloristische Beigabe jedes bayerischen Bierzelts, Cannabis hingegen als das Werk des Teufels.

Doch nicht nur die Konsequenz ist fraglich, auch die Wirksamkeit bayerischen Verbotspolitik muss angezweifelt werden: Da mag Markus Söder noch so sehr gegen das Gendern wettern, in Schulen und an Universitäten ist diese Sprachform längst selbstverständlich, unter Lernenden und Dozenten gleichermaßen. Schwer vorstellbar, dass irgendwer sich von einem Verbot davon abhalten lässt. Gleiches gilt für Kiffer, die ihre Räume finden werden, um sich - ähnlich wie das Zigtausende Menschen mit alkoholischen Getränken Abend für Abend vollkommen legal tun - zu berauschen.

Söder, Aiwanger und Co. wissen das nur zu gut. Ihnen geht es nicht um die Sache, sondern um die Symbolik. Schaut her, wir sind die letzten Verfechter der guten, alten Zeit, lautet die Botschaft. Eine Taktik, die durchaus verfängt. Denn es gibt viele Menschen, denen all die Veränderungen über den Kopf wachsen.

Und doch ist das Verhalten der christsozialen Vordenker durchsichtig: Sie wollen punkten, indem sie ein Gesellschaftsbild mehr oder weniger einfrieren. Dabei, das gilt in Bayern vielleicht noch mehr als in anderen Bundesländern, wandelt sich der Freistaat seit langem massiv, allein der überdurchschnittliche Zuzug ist dafür ein Garant.

Am Ende wäre der Staatsregierung mehr Gelassenheit zu wünschen. Eben so wenig wie jeder Bayer, der Alkohol zu sich nimmt, sich regelmäßig mit Bier, Wein und Schnaps zudröhnt, werden künftig Heerscharen von Cannabis-Konsumenten beschwingt durch die Straßen ziehen. Beim Gendern ist es noch einfacher: Niemand muss, doch jeder sollte dürfen. Das wäre dann übrigens die auch und gerade von der CSU vielzitierte Liberalitas Bavariae.

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