Diagnose Schlafdefizit
Neuer Bluttest soll müde Autofahrer überführen
3.6.2023, 11:54 UhrSich mit Schlafmangel ans Steuer zu setzen, ist eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Für das Jahr 2021 hat das Statistische Bundesamt deutschlandweit über 1500 Unfälle mit Personenschaden registriert, die durch Übermüdung verursacht worden sind. Die Dunkelziffer dürfte indes noch weitaus höher liegen. Bei einer Umfrage des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) aus dem Jahr 2016 räumte mehr als ein Viertel der befragten Autofahrer ein, schon einmal am Lenkrad eingeschlafen zu sein. Doch viele wissen im Nachhinein gar nicht mehr, dass ihnen das passiert ist. Und wenn doch, muss es im Falle eines Unfalls erst einmal zugegeben werden.
Ähnlich gefährlich wie Alkohol
Denn anders als bei Alkohol oder Drogen gibt es bislang keine Möglichkeit, Schlafdefizite forensisch nachzuweisen. Dabei lassen wissenschaftliche Erkenntnisse darauf schließen, dass es ähnlich gefährlich ist, sich mit einem dünnen Schlafpolster von weniger als fünf Stunden auf Autofahrt zu begeben wie mit mehr als 0,5 Promille Alkohol im Blut. Zu diesem Ergebnis ist das Appleton Institute der australischen Central Queensland University gelangt. Und die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin geht zumindest davon aus, dass 17 schlaflose Stunden die Reaktionsfähigkeit ebenso herabsetzen wie das Überschreiten der genannten Promillegrenze. Nach 22 Stunden soll sich sogar eine Analogie zu 1,0 Promille ergeben.
Bald aber könnte ein Instrumentarium zur Verfügung stehen, das Übermüdung verlässlich diagnostiziert. Forscher der Monash University im australischen Melbourne sind derzeit dabei, einen entsprechenden Bluttest zu entwickeln. Inzwischen haben die Wissenschaftler fünf sogenannte Biomarker identifiziert, die mit nahezu hundertprozentiger Genauigkeit den Nachweis erbringen, dass jemand 24 Stunden oder länger wach gewesen ist. Sukzessive sollen die Möglichkeiten zur Analyse des Blutbilds verfeinert werden, der Schlafmangel also auch auf drei oder fünf Stunden quantifiziert werden können.
Marktreife könnte der Bluttest in etwa zwei Jahren erlangen. Für den Einsatz bei Kontrollen am Straßenrand ist er zunächst zwar nicht vorgesehen, abgesehen von der rechtlichen und medizinischen Problematik bräuchte es dazu mobile Geräte, die erst noch entwickelt werden müssen. Denkbar wäre aber, dass der Test bei Autofahrern angeordnet und durchgeführt wird, die – nachdem sie einen Unfall verursacht haben - ins Krankenhaus kommen.
Grenzwert erforderlich
Bis es soweit ist, gilt es jedoch noch einiges abzuklären – allem voran die rechtlichen Rahmenbedingungen. Dazu gehört die Frage, wo der gesetzliche Grenzwert für ausreichend Schlaf überhaupt liegen soll.
Auf die Gefahren des Sekundenschlafs haben auch Automobilhersteller und Gesetzgeber bereits reagiert. In vielen Fahrzeugmodellen sind inzwischen sogenannte Müdigkeitswarner verbaut, seit vergangenem Jahr ist ein solches Assistenzsystem bei neu entwickelten Autos verpflichtend vorgeschrieben. Es überwacht beispielsweise das Lenkverhalten, kann aber mithilfe von Kameras auch Augen-, Lid- und Kopfbewegungen analysieren. Ergeben sich Anzeichen einer nachlassenden Konzentration, erfolgen akustische sowie optische Warnsignale und die Aufforderung, eine Pause einzulegen.
Einen anderen Ansatz stellen Rüttelstreifen dar, die in die Fahrbahn eingefräst werden und auch dem Zweck dienen können, Autofahrer bei Aufmerksamkeit zu halten. Eine ähnliche Funktion erfüllen Straßenmarkierungen, die beim Befahren Töne ins Cockpit übertragen.
Harte Strafen drohen
Völlig übermüdet Auto zu fahren oder gar am Steuer einzuschlafen, ist aufgrund der damit verbundenen Risiken alles andere als ein Kavaliersdelikt. „Wer ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, ein Fahrzeug zu führen“, kann gemäß Paragraf 315c des Strafgesetzbuchs (StGB) mit einer Geld- und sogar einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren belegt werden, sofern er die Gefahr fahrlässig herbeigeführt hat. Auch mit einem Fahrverbot oder dem Entzug der Fahrerlaubnis ist zu rechnen.
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