„Drive Pilot“ erlaubt
Autonomes Fahren: Kalifornien gibt Mercedes grünes Licht
10.6.2023, 11:10 UhrUm das Thema „autonomes Fahren“ ist es zuletzt eher still geworden. Doch Mercedes arbeitet sich voran. Jetzt darf auch in Kalifornien die fortgeschrittene Version des „Drive Pilot“ aktiv werden. Als zuständige Behörde hat das California Department of Motor Vehicles die entsprechende Erlaubnis erteilt.
Hochautomatisiert nach Level 3
Bei dem System handelt es sich um einen Autopiloten, der die Bedingungen des hochautomatisierten Fahrens nach Level 3 erfüllt. Der Fahrer respektive die Fahrerin darf während der Fahrt den Blick vom Verkehrsgeschehen abwenden, das Lenkrad loslassen und sich stattdessen anderen Tätigkeiten widmen. Das Steuer übernimmt derweil der Computer. Er regelt die Geschwindigkeit und den Abstand zum Vorausfahrenden, zudem sorgt die Software dafür, dass das Fahrzeug die Spur hält. Auch unerwartet auftretende Verkehrssituationen werden bewältigt, der Wagen führt dann beispielsweise ein eigenständiges Ausweichmanöver innerhalb der Spur oder eine Bremsung aus. Die Haftung geht mit Aktivierung des Level-3-Systems an den Hersteller über.
Zwar haben die USA schon Anfang des Jahres eine allgemeine Freigabe für den „Drive Pilot“ ausgesprochen. Doch es obliegt jedem Bundesstaat, eine separate Zertifizierung zu erteilen, noch vor Kalifornien hat dies im Januar Nevada getan. Auch für den deutschen Straßenverkehr ist dem Mercedes-Autopiloten bereits grünes Licht gegeben worden.
Der „Drive Pilot“ wird als Sonderausstattung für die S-Klasse und deren vollelektrisches Pendant EQS angeboten. Wer nun davon träumt, mit 180 km/h über die Autobahn zu fahren und dabei einen Film zu streamen oder im Stadtverkehr Mails zu schreiben, dürfte sich jedoch enttäuscht sehen. Denn so weit ist die Technik noch nicht, und auch die rechtlichen Rahmenbedingungen sind bislang eng gesteckt. In Deutschland ist das System derzeit nur auf der Autobahn und bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h erlaubt, was also hauptsächlich im Stau Entlastung bringt.
Auch in Kalifornien darf der Autopilot nur auf Highways tätig werden, unter anderem in der San Francisco Bay Area sowie in der Gegend von Los Angeles und San Diego, dies aber lediglich tagsüber, bei starkem Verkehrsaufkommen und im Stau sowie bis zu einer Maximalgeschwindigkeit von 40 mph, umgerechnet rund 64 km/h. Und nach entsprechender Aufforderung durch das System muss der Fahrer innerhalb von acht Sekunden eingreifen. Zudem können sich die erlaubten Nebentätigkeiten von Land zu Land unterscheiden. Was legal sei, heißt es bei Mercedes, hänge von den jeweiligen nationalen Straßenverkehrsvorschriften ab.
Seitenhieb auf Tesla?
„Die Zertifizierung durch die Behörden in Kalifornien bestätigt wieder einmal unsere Führungsrolle im Bereich des hochautomatisierten Fahrens und zeigt, dass wir in den USA die treibende Kraft bei Innovationen sind“, sagt Dimitris Psillakis, Präsident und CEO von Mercedes-Benz USA. Das kann auch als Seitenhieb auf die bekanntlich in Kalifornien ansässige Konkurrenz von Tesla gewertet werden. Tesla-Chef Elon Musk dürfte die Freigabe für das Mercedes-System tatsächlich wurmen. Denn bei Model S & Co. wird der Autopilot als wichtiges Werbeargument eingesetzt. Doch er beherrscht nur Level 2, nicht aber – wie der Mercedes Drive Pilot – Level 3.
Das liegt vor allem daran, dass Tesla bei seiner autonomen Fahrsoftware „Full Self-Driving“ bislang auf die sogenannten Lidare verzichtet und lediglich mit Kameras arbeitet. Lidar steht für „Light Detection and Ranging“ und meint eine Technologie, welche die Umgebung mithilfe von Laserstrahlen erfasst. Mercedes hingegen setzt zentral auf Lidare, hinzu kommen neben herkömmlichen Sensoren Mikrofone, eine Kamera in der Heckscheibe zur Erkennung von Einsatzfahrzeugen sowie ein Nässesensor im Radkasten. Zudem verfügen die Drive-Pilot-Modelle über ein redundantes Brems- und Lenksystem. Gemeint ist damit eine doppelte Absicherung – wenn ein System ausfällt, übernimmt ersatzweise ein anderes, so dass das Fahrzeug auch bei einer Störung manövrierfähig bleibt.
Berichte über Zwischenfälle
Tesla ist mit seinem Autopiloten immer wieder in die Negativ-Schlagzeilen geraten. Zuletzt geriet das Unternehmen durch die sogenannten „Tesla-Files“ unter Druck, die im Rahmen eines Datenlecks dem Handelsblatt zugespielt wurden und in denen Tausende Kundenbeschwerden, teils über gefährliche Zwischenfälle, erfasst sein sollen.
Mercedes indes plant bereits die nächste Weiterentwicklung. Bis Ende des Jahrzehnts soll hochautomatisiertes Fahren auf der Autobahn bis 130 km/h ermöglicht werden, als Zwischenschritt, so heißt es, wolle man „in Deutschland eine Ausbaustufe anbieten, die es ermöglichen soll, bis ca. 90 km/h hochautomatisiert einem Vorausfahrer auf der Autobahn folgen zu können“.
In sechs Stufen zum autonomen Fahren
Level 3 ist der dritte von insgesamt sechs Stufen des autonomen Fahrens:
Level 0: Der Ausgangspunkt. Es gelangen keinerlei Fahrassistenten zum Einsatz.
Level 1 (assistiertes Fahren): Das ist, etwa mithilfe von Spurhalteassistenten oder Abstandstempomaten, in vielen Fahrzeugen bereits Stand der Dinge.
Level 2 (teilautomatisiertes Fahren): Hier hat die Selbstfahr-Technik für wenige Sekunden das Kommando. Dann muss der Fahrer aber wieder übernehmen.
Level 3 (hochautomatisiertes Fahren): Der Fahrer darf sich längerfristig mit anderen Dingen beschäftigen, muss aber jederzeit in der Lage sein, einzugreifen.
Level 4 (vollautomatisiertes Fahren): Das Fahrzeug kann alle und damit auch komplexere Aufgaben selbstständig übernehmen - hohe Geschwindigkeiten vorlegen beispielsweise, auf die Autobahn auffahren oder diese wieder verlassen. Der Fahrer hat aber immer noch die Möglichkeit, das Steuer zu übernehmen.
Level 5 (autonomes Fahren): Der Mensch ist nur noch Passagier, nicht mehr Fahrer. Das Auto benötigt somit weder ein Lenkrad noch Pedale. Es kann auch ohne Personen an Bord fahren.
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