Hand aufs Herz: Queerfeindliche Kommentare
27.7.2023, 10:10 UhrGenerell steigen die trans- und homofeindlichen Straftaten in den Jahren kontinuierlich an. Berlin erfasst als einziges Bundesland die Taten gegen Menschen der LGBTQAI+-Community gesondert, und zählt im Bericht des Monitor Rings für 2021 456 dieser Fälle, 110 davon Gewaltdelikte. Auch das Narrativ des "Kulturkampfs gegen die woke Mehrheit" schwappt aus den USA vermehrt zu uns herüber. Nicht nur besuchten in letzter Zeit CSU-Politiker den republikanischen Gouverneur Ron DeSantis , der in Florida das sogenannte "Don't Say Gay" Gesetz verabschiedet hatte, sondern auch die Kinderbuch-Lesungen verschiedener Drag Queens in München erfuhren massive Anfeindungen im Kontext einer emotional-aufgeladenen, nationalen Debatte.
Die Sichtbarkeit, die queere Menschen sich über die vergangenen Jahrzehnte erkämpfen mussten, wird ihnen immer öfter abgesprochen. So heißt es in den Kommentaren und Nachrichten, den wir erhalten haben: "Diese Sachen [queere Events und Regenbogen-Logos] (Anm. der Redaktion) haben nichts in der Öffentlichkeit verloren wo Kinder alles das sehen, was sie nicht sehen sollen […] Das sind keine Vorbilder. Vorbilder sind Mann und Frau eine Familie."
"Schutz der Kinder"
Den Schutz der Kinder als Scheinargument vor die eigene Queerfeindlichkeit zu stellen ist eine altbekannte Strategie, um die sogenannte "Mitte der Gesellschaft" mit den eigenen menschenverachtenden Ansichten zu erreichen. "Das Bild des unschuldigen und gefährdeten Kindes scheint besonders wirksam zu sein, um eine 'moralische Panik' auszulösen.", schreiben die schwedischen Wissenschaftler Cecilia Strand und Jakob Svensson in einem Briefing für das Europäische Parlament. Dieses Desinformationsnarrativ wird von rechten und religiösen Kreisen seit den 1970er Jahren genutzt um Stimmung gegen Queers zu machen, es ist wissenschaftlich absolut haltlos. Ganz im Gegenteil, stellt die Weltgesundheitsorganisation fest: Aufklärung ist Missbrauchsprävention. Kinder lernen, neben Respekt gegenüber Menschen - ganz gleich ihrer Identität und sexuellen Orientierung -, die eigenen Grenzen besser kennen, wenn sie eine altersangemessene Sexualerziehung bereits ab Geburt zu erfahren und Kinder nicht als asexuelle Wesen betrachtet werden.
Whataboutism
Weiter empfiehlt uns ein User in einem Kommentar, "Unterstützt lieber andere Gruppen, wenn ihr schon was unterstützen wollt. Wie wär’s mit Rentner, alte Leute, Behinderte Menschen, fördert den Jugendschutz, macht euch Stark für Unterdrückte".
Wir als Redaktion - aber auch als Privat-Personen - tun genau das. Generell setzen sich sowieso besonders progressive Menschen für Alte, Renter:innen und Menschen mit Behinderung, deren Belange und Rechte ein. Diesen Whataboutism, also die scheinbare Abwehr eines Arguments mit der Ablenkung auf ein anderes Problem, "Aber was ist aber mit diesem Problemen …", zu nutzen, um die Probleme der queeren Community zu verharmlosen oder abzusprechen, ist besonders zynisch, da sich eben jene Communitys vermehrt für andere Unterdrückte Gruppen einsetzt.
Aufzwingen und Meinungsfreiheit
Abgesehen der Meinung, die der User frei äußern konnte, queere Menschen und Aktionen hätten nichts in der Öffentlichkeit zu suchen, wird uns vorgeworfen: "Muss jetzt jeder mitmachen oder was? […] [Berichtet über andere Dinge,] Statt der Mehrheit der Menschen etwas auf zu zwingen was sie gar nicht wollen."
Natürlich wird niemand dazu gezwungen, zu gendern oder sich am CSD oder queeren Partys zu beteiligen. Außer Frage steht allerdings auch, dass die LGBTQAI+-Bewegung öffentlich Aktionen veranstalten darf - und wir darüber berichten. Denn auch das fällt unter die Meinungs- beziehungsweise Pressefreiheit.
"Diese Leute sollen auch leben ganz klar. Aber das sollen sie zu Hause machen oder mit ihresgleichen." Das Thema des letzten CSDs in Nürnberg lautete "Sichtbarkeit schafft Sicherheit", denn gerade die Öffentlichkeit sorgt dafür, dass queere Menschen menschenwürdig leben können - auch außerhalb der eigenen Wohnung, so wie es allen Menschen laut unserem Grundgesetz zusteht.
Wir tolerieren keine Queerfeindlichkeit
Der User droht uns am Ende des Kommentars damit, uns zu entfolgen und auch sein Umfeld dazu aufzufordern, sollten wir nicht wieder unser Logo ohne Regenbogen einsetzen. Ihm steht es natürlich frei uns zu entfolgen - gerne dürfen das Alle tun, die queerfeindliche Positionen vertreten.
Stellt euch gegen den Hass - als Ally auf den CSD
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